Ausstellung vom 27.03.2009 bis 26.04.2009

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// essential existence gallery
// Westwerk, Karl-Heine-Straße 93,
   Tor B, 04229 Leipzig

 

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„Everyone can change -
if people who need help will not take it,
we will make them.”

(Tony Blair, Respect Action Plan, 2006)

  

1. Thema und Anliegen

2. Die Ausstellung

2.1 Künstlerische Positionen

2.2 Dokumentation

3. Die Vortragsreihe

3.1 Kurzbeschreibungen

3.2 Abstracts und Termine


1. Thema und Anliegen

Are the kids alright? Auf die Frage, wie „antisozialem” oder abweichendem Verhalten von so genannten Problemkindern und -jugendlichen begegnet werden kann, setzt Großbritanniens Regierung auf zunehmende Kontrolle und Überwachung. Die Vergabe der 1998 im Zuge Tony Blairs Projekt von New Labour eingeführten Anti-Social Behaviour Orders (ASBOs) stellt dabei das populärste und verbreitetste Mittel staatlicher Regulierungspraxis dar.

Anti-Social Behaviour Order: ASBOs umfassen Maßnahmen wie Platzverweise in bestimmten städtischen Bereichen sowie das Verbot bestimmter Kleidungsstücke oder Handlungen. Überwachungstechniken, die Ermunterung zu gegenseitiger Denunziation und gezielte öffentliche Anprangerung in Internetforen oder im öffentlichen Raum sind dabei Mittel, mit denen versucht wird sozial akzeptiertes Verhalten zu generieren.

Auch in deutschen Medien wird Kindheit und Jugend zunehmend vom Bild des gewaltbereiten Jugendlichen, des bewaffneten Schülers, von „Vandalismus” im städtischen Raum geprägt, dem elterliche Vernachlässigung und gesellschaftliche Ignoranz als Ursache vorausgehen. Auch wenn bisher keine den ASBOs vergleichbare Maßnahmen verfolgt werden, scheint uns auch in der deutschen Gesellschaft die Angst vor ihren eigenen Abkömmlingen zu wachsen.

Für die Mitglieder der AG „Kids Control” stellte diese Entwicklung den kritischen Ausgangspunkt ihrer Tätigkeit dar. Davon ausgehend haben sie die „Are the kids alright?” betitelte Ausstellung erarbeitet:

Diese ist in der Zeit vom 27.3. -26.4.09 in den Räumlichkeiten der Essential Existence Galery (EEG) auf dem Westwerk-Gelände zu sehen und wird gleichzeitig von einer Vortragsreihe begleitet. Das Gesamtprojekt eröffnet damit gezielt einen Raum, in dem sich künstlerische und wissenschaftliche Perspektiven, dokumentarische Kommentare und ästhetische Interventionen begegnen.

 

2. Die Ausstellung

2.1 Künstlerische Positionen

Um dem Problemfeld Kontrolle und Regulation des urbanen Raums und der eigenen Verortung darin in möglichst vielschichtiger Weise zu begegnen, haben wir verschiedene europäische Künstler eingeladen.

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Quelle: Gallery of Modern Art (GoMA) / Anthony Schrag: Rebelland.

So werden beispielsweise Teile der Arbeit Rebelland des Künstlers Anthony Schrag zu sehen sein, in der er mit der Kamera schottische Jugendliche an ihrem Alltag teilnehmend begleitet und den Betrachter in einer Weise in die Geschehnisse einbindet, die über Dokumentarisches weit hinausgeht.

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In den großformatigen Arbeiten Michelle Hannahs dominieren dahingegen formelhafte, bewusst typografierte Schlagwörter und überlagern die Schauplätze des Hintergrunds.

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Bei dem im Zeitraum von 2002-2007 verwirklichtem Projekt Faceless unter der Leitung von Manu Luksch entstand ein in den Rahmen der Ausstellung eingegliederter Film, der einen spielfilmartigen Plot in einem außergewöhnlichen Medium realisiert hat: ausschließlich mit dem öffentlichen CCTV.

Weitere Teilnehmer:

Amanda Egbe (London), Moritz Frei (Leipzig), Komm mit hau ab (Halle), Kathrin Lemcke (Halle),  the-fold (London), Maayke Schurer (Glasgow), Melina Weissenborn (Leipzig)

 

2.2 Dokumentation

Die Rezeption dieser künstlerischen Beiträge wird dabei durch die Integration eines dokumentarisch-informierenden Ausstellungsteils aufgelockert und ergänzt. Anhand dieses offenen Dialogs künstlerischer Positionen mit dokumentarischen Elementen bereitet das Ausstellungskonzept eine didaktische Schwelle, die sowohl das Thema als auch dessen künstlerischen Reflektionen auf vielfältige Weise zugänglich macht.

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Anprangerung dreier Männer mit Asbo an einer Informationstafel am Busbahnhof Oxford (Juli 2007). Foto: Jan Bachmann
NB: Um ein Zeichen gegen die Politik der Anprangerung zu setzen, haben wir die Gesichter der Betroffenen unkenntlich gemacht. Im Original sind sie mit Foto und Name identifizierbar.
 

Innerhalb dieses zweiten Teils werden einerseits ausgewählte Hintergründe der soziopolitischen Entwicklung sowie Ansätze der betreffenden wissenschaftlichen Debatte zur Sprache gebracht, andererseits bereichert ein dokumentierender Gestus das Themenfeld um die Anschaulichkeit der unmittelbar lebensweltlichen Konsequenzen und Umstände.

In diesem Zusammenhang ist uns insgesamt daran gelegen, bestehende Praxen und Selbstverständlichkeiten um den Horizont kritischer Fragen zu erweiteren.

 

3. Die Vortragsreihe

3.1 Kurzbeschreibung

Are the kids alright?” - Vortragsreihe in der naTo zur Ausstellung 27.03.-26.04.2009 im Westwerk

Wie demokratisch ist der öffentliche Raum für Jugendliche strukturiert? Was ist gesellschaftlich normal und was ist sozial akzeptables Verhalten? Sind „Sicherheit” und „Kriminalität” neutrale Phänomene - oder Produkte politischer Auseinandersetzungen?

Diese Fragen drängen sich bei einer kritischen Beschäftigung mit aktuellen politischen Entwicklungen in Großbritannien und Deutschland geradezu auf und werden im Rahmen der Vortragsreihe gleichermaßen vorgestellt und diskutiert.

Zentral dabei ist der Blick auf die Veränderungen von Kindheits- und Jugendpolitiken in den letzten hundert Jahren, sowie auf die Besonderheit des öffentlichen Raumes. Und nicht zuletzt auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Überwachungs- und Kontrollpolitiken in den beiden Ländern, die „antisozialem” oder abweichendem Verhalten begegnen wollen.

Gerade am Beispiel „ihrer Jugend” verhandeln Gesellschaften diese Fragen und verdeutlichen, welche symbolischen und realen Ein- und Ausschlussmechanismen sie produzieren. Wir laden ein zu einer kontroversen Debatte!

3.2 Abstracts und Vortragstermine

Die institutionalisierte Intoleranz - Über den Umgang mit jugendlicher Devianz in England und Deutschland 

  • 31.3.09 (Prof. Dr. Holger Ziegler, Univ. Bielefeld), NaTo, Karl-Liebknecht-Str. 46, 18 Uhr (in deutscher Sprache)

Als institutionalisierte Intoleranz bezeichnete John Muncie den Crime and Disorder Act von 1998. Inhaltlich handelt es sich dabei um eine Verordnung, die sich weniger auf Kriminalität sondern vielmehr auf die die Reduktion von „anti-sozialem Verhalten” richtet. Strukturell werden an dieser Verordnung die Konturen eines veränderten Regimes der Governance von Jugend rekonstruierbar, in deren Mittelpunkt drei Ideologeme stehen: Autoritarismus, Kommunitarismus und Managerialismus. Diese Elemente haben auch in der deutschen Debatte an Gewicht gewonnen. Inwiefern auch hier von einer neuen post-sozialstaatlichen Logik der Regierung von Jugend die Rede sein kann, wird zu diskutieren sein.

(Late) Modernity’s british youth and childhood. Social Investment and the Disciplinary State. A 20th century perspective

  • 07.4.09 (Vis. Ass. Prof. Harry Hendrick, Univ. of Southern Denmark), NaTo, Karl-Liebknecht-Str. 46, 18 Uhr (Vortrag in englischer Sprache)

There is widespread concern among British Non Goverment Organizations working with young people that there exists within the government and among the general public a mood of ‘zero tolerance’ towards children and adolescents that has led to their being demonised. This lecture asks why such a mood has evolved and what it signifies. The suggestion is that the demonisation of young people is a feature of particular stresses and strains associated with advanced capitalism, not only the consequences of its increasingly globalised labour market, but also those of ontological insecurity and social anxiety. Through a comparison with what is claimed to be relatively ‘optimistic’ attitudes towards young people during the ‘first’ crisis of modernity c. 1890-1914, it is argued that our contemporary malaise is marked by intolerance, suspicion, and pessimism.

Was ist öffentlich am öffentlichen Raum und was hat das mit Kriminalpolitik zu tun? 

  • 14.4.09 (Jun. Prof. Dr. Bernd Belina), NaTo, Karl-Liebknecht-Str. 46, 18 Uhr (in deutscher Sprache)

Die Scheidung von öffentlichen und privaten Sphären und, darauf aufbauend, Räumen ist ein modernes Phänomen - und zudem ein unübersichtliches. Zum einen wird sie unterschiedlich erklärt, zum anderen werden unter „öffentlich” und „privat” unterschiedlich Dinge verstanden. Weit verbreitet ist dabei die Idee, dass der „öffentlicher Raum” allgemein zugänglich und der „private Raum” geschützt ist bzw. sein soll. Anhand aktueller Entwicklungen der Kriminalpolitik wird im Vortrag diskutiert, in welcher Hinsicht diese Vorstellungen zu kritisieren und warum sie gleichwohl so beliebt sind.

 

Drunk and disorderly? Strategies of Control and Resistance in the Context of Young People’s Alcohol Consumption in UK Public Space .

  • 21.04.2009 (Prof. Dr. Gill Valentine, Univ. of Leeds), NaTo, Karl-Liebknecht-Str. 46, 18 Uhr (in englischer Sprache)

There is widespread concern in the UK about young people’s binge drinking in public space. This has been prompted by concern about alcohol-fuelled disorder on the streets and conflicts between young people — as a night-life active group — and older residents as late-night venues have encroached upon traditional residential areas. In this context, there has been the re-emergence of the ‘moral panic’ about young people as ‘out of control’. Many local states have sought to maintain public order by restricting the growth of drinking outlets, passing byelaws to curb drinking on the streets, increasing CCTV surveillance and community policing, and creating multi-agency teams to tackle the ‘youth problem’ in an attempt to regulate these ‘deviant’ bodies. At the same time, blame has been laid at the door of parents for adopting a more liberal approach to child-rearing in the context of individualisation, introducing children to alcohol at a young age in the family context and condoning their experiments with drink. This presentation will critically engage with these debates about intergenerational relations and strategies of control and resistance in the context of British youth.

 


Das Projekt “Are the kids alright” wird durchgeführt in Zusammenarbeit mit Weiterdenken - Heinrich Böll Stiftung Sachsen. Die Ausstellung und die begleitende Vortragsreihe werden finanziert mit Unterstützung der Europäischen Union und des StudentInnenrat der Universität Leipzig

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