FKR unterstützt Protest des Leipziger Initiativkreises gegen die Extremismusklausel

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Am 22.03.2011 trafen sich verschiedene Vereine, Initiativen und Akteur_innen der Leipziger Zivilgesellschaft, um einen gemeinsamen Umgang mit der sogenannten „Demokratiebestätigung“ bzw. „Extremismusklausel“ auf lokaler Ebene zu diskutieren. Ergebnis des Treffens ist eine Aufforderung an den Begleitausschuss des Lokalen Aktionsplans „Leipzig. Ort der Vielfalt“ (LAP) und an die Stadt Leipzig sich offensiv gegen die Extremismusklausel einzusetzen, und damit für eine lebendige demokratische Kultur, in der Kritik nicht mit autoritären Methoden unterdrückt wird.

Aufforderung an den Begleitausschuss des Lokalen Aktionsplans „Leipzig. Ort der Vielfalt“ (LAP) und an die Stadt Leipzig

Am 22.03.2011 trafen sich verschiedene Vereine, Initiativen und Akteur_innen der Leipziger Zivilgesellschaft, um einen gemeinsamen Umgang mit der sogenannten „Demokratiebestätigung“ bzw. „Extremismusklausel“ auf lokaler Ebene zu diskutieren.

Dabei wurde deutlich, dass demokratiefördernde Arbeit generell als wichtige und somit gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen ist, die durch öffentliche Gelder getragen sein muss, ohne sich dabei Bekenntniszwang und Gesinnungsschnüffelei unterwerfen zu müssen.

In der Annahme, dass der Begleitausschuss des Lokalen Aktionsplans Leipzig sowie die Stadt Leipzig die sogenannte „Demokratiebestätigung“ als genauso untragbar empfinden, wie der oben genannte Initiativkreis, fordern wir hiermit:

– auf die obligatorische Abforderung der oben genannten Klausel als Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln aus dem Lokalen Aktionsplan zu verzichten. Stattdessen fordern wir, dass sich der Ausschuss – wie in der Vergangenheit – ausschließlich an den Inhalten der Projekte orientiert.

– sich gegenüber der Bundesregierung und dem zuständigen Bundesministerium (BMFSJ) dafür einzusetzen, dass die bislang von Initiativen beantragten Mittel aus dem entsprechenden Bundesprogramm unter Verzicht auf die Abgabe derartiger Erklärungen gewährt werden und deren Abgabe als Fördervoraussetzung aus dem entsprechenden Programmen gestrichen wird.

– die Stadt Leipzig auf, dem positiven Beispiel anderer Kommunen zu folgen und nach weiteren Fördermöglichkeiten für lokale demokratiefördernde Arbeit zu suchen und diese zu erschließen.

Begründung:

Die Einführung einer sogenannten „Extremismusklausel“ würde die – auch von Seiten der Stadt bestätigte – bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kommune und Zivilgesellschaft sowie den seit vielen Jahren bestehenden demokratischen Konsens in Leipzig gefährden und durch ein Klima von Unsicherheit und Misstrauen ersetzen.

Zudem kritisieren wir die generelle Ausrichtung einer solchen „Extremismusklausel“ aus verschiedenen Gründen:

1. Die Klausel basiert auf einer formalisierten, ordnungspolitischen Auffassung von Demokratie und Gesellschaft. Jedoch lebt eine demokratische Gesellschaft nicht allein von staatlichen Strukturen, sondern vielmehr von einer aktiven Zivilgesellschaft, welche einen permanenten politischen Diskurs antreibt und somit die gelebte Demokratie einem stetigen Wandel unterwirft.

2. Darauf aufbauend betrachten wir die Klausel als Beschneidung des politisch Sagbaren sowie als Mittel, zivilgesellschaftliche Kritik „mundtot“ zu machen. Eine offene inhaltliche Auseinandersetzungen über gesellschaftsrelevante und -kritische Themen – der für Demokratien wichtige Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – wird somit tendenziell unterbunden.

3. Weiterhin werden durch die Klausel vereinfachte „antidemokratische“ Feindbilder geschaffen. Denn die Einschätzung, was als „extrem“ und somit „undemokratisch“ gilt, basiert lediglich auf dem oben beschriebenen, ordnungspolitischen Demokratieverständnis.
Grundlegend für die Beurteilung einer demokratischen Gesellschaft sollten jedoch die Menschenrechte und somit die Bekämpfung von menschenverachtenden und diskriminierenden Einstellungen sein. Nur so kann über einen institutionellen Rahmen hinaus Demokratie als Alltagskultur und Lebensform gestaltet werden.

4. Problematisch ist zudem der Verweis auf die Berichte des Verfassungsschutzes als entscheidendes Kriterium zur Bewertung von Initiativen und Organisationen. Die Einschätzung einer Behörde kann in einem Rechtsstaat nicht ausschlaggebend sein für die Beurteilung von Personen bzw. Organisationen als »extremistisch« und damit deren Ausschluss aus dem staatlich geförderten Handeln für Demokratie und Vielfalt.

5. Abschließend ist zu sagen, dass durch die Verfassung – deren Anerkennung die Projekte mithilfe der Klausel bestätigen sollen – kein Generalverdacht und somit Bekenntniszwang vorgesehen ist. Zudem bestätigen die Gutachten von Prof. Ulrich Battis und des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages die Unverhältnismäßigkeit eines solchen Bekenntnisses, welches den freiheitlich demokratischen Staat selbst diskreditieren würde.

Wir laden den Begleitausschuss des Lokalen Aktionsplans Leipzig sowie die diesbezüglich relevanten Entscheidungsträger_innen der Stadt Leipzig zu einem gemeinsamen Treffen mit den hier unterzeichnenden Vereinen und Personen ein. Dabei soll eine produktive Auseinandersetzung im Umgang mit dieser, die bestehende demokratische und vertrauensvolle Atmosphäre vergiftenden, Klausel gefunden werden.

Leipzig, den 24.03.2011

Erstunterzeichnende Vereine und Personen:

Frank Kimmerle, Erich-Zeigner-Haus e.V.
Juliane Nagel, Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
Projekt Verein e.V. Conne Island
Forum für kritische Rechtsextremismusforschung bei Engagierte Wissenschaft e.V.
Sebastian Krumbiegel (Musiker)
Edda Möller, Leizig.Courage zeigen e.V.
Carsten Völtzke, Mitarbeiter Netzwerk für Demokratie und Courage
Leila Schilow, Mitarbeiterin Netzwerk für Demokratie und Courage
Richard Gauch, Projektleiter der Gruppe “Gedenkmarsch” – Leipzig
Oliver Reiner, Geschäftsführer Soziokulturelles Zentrum “Die VILLA
kunZstoffe – urbane Ideenwerkstatt e.V.
Falk Elstermann
Stephan Meister (Organisationsberater)
Frank Schubert
Dr. Barbara Höll, MdB
Küf Kaufmann
Enrico Billing
Magdalene Schlenker (Bildungsreferentin)
Susanne Brettin
Anja Treichel
Paul Schmidt
Susanne Stoll (Kommunikationsdesignerin)
Claudia Ratering
Kulturbüro Sachsen e. V. – Mobiles Beratungsteam / Regionalbüro Nordwest
globaLE e.V.
Martin Henker, Superintendent
Michael Reibetanz, M.A. Soziologie, ehemaliger Leipziger Student
Ulf-Peter Graslaub, Vorsitzender Stadtbezirksverband Alt-West Die Linke.Leipzig
Renate Peinel, Vorsitzende Bund der Antifaschisten e.V. Leipzig
Dr. Volker Külow, MdL DIE LINKE
Frank Schott, ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V.

Die Liste bleibt für weitere Unterzeichnungen offen.
Rückmeldungen unter initiativkreis.lap at googlemail.com