Über das Forum für kritische Rechtsextremismusforschung

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Forum für kritische Rechtsextremismusforschung

Warum?

Der Wahlerfolg der NPD in Sachsen im September 2004 und zwei Jahre später auch in Mecklenburg-Vorpommern erscheint vor allem als Bündelung langfristiger Erscheinungen. Denn durch den parlamentarischen Rückhalt für den Ausbau der ideologischen und strategischen Arbeit der NPD haben bereits seit langem wirksame völkisch-nationale Tendenzen in der Öffentlichkeit einen starken Schub erhalten. Dabei handelt es sich aus unserer Sicht vor allem um ein Sichtbarwerden latenter und alltäglicher Zustände, die eben nicht nur an jenem ‚rechtsextremen Rand‘ der Gesellschaft existieren, an dem die NPD und andere Organisationen stehen.

Die wissenschaftliche Reflexion und gesellschaftliche Diskussion dieser Entwicklungen halten wir für unerlässlich. Dazu und zur Erleichterung der Kommunikation zwischen wissenschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren möchten wir mit unserer Arbeit beitragen. Das FORUM steht deshalb in einem regen Austausch mit Initiativen, Organisationen und Aktiven in Sachsen.

Wie?

  • Vernetzungsarbeit: Das FORUM bietet sich als Schnittstelle für die wissenschaftliche und praktische Arbeit gegen Rechts an. Wir sind Mitglied im Netzwerk „Tolerantes Sachsen“. Bisherige Kooperationspartner sind das Herbert- Wehner-Bildungswerk, das Antirassismus-Referat des StudentInnenRates der Universität Leipzig und die Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Öffentlichkeitsarbeit: Vorträge und Diskussionen
  • Bildungsarbeit: Wir bieten Interessierten (Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften, politische Verbände) Seminare, Workshops und Informationsmaterialien an.
  • Forschungsarbeit: Wir wollen regionale Tendenzen rechter Strategien sowie „rechte“ Elemente in Diskursen der „Mitte“ untersuchen und in diesem Zusammenhang übliche Deutungs- und Erklärungsmuster von Rechtsextremismus einer kritischen Betrachtung unterziehen.

Wer?

Das FORUM FÜR KRITISCHE RECHTSEXTREMISMUSFORSCHUNG ist eine Gruppe kritischer und engagierter StudentInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen innerhalb der Initiative “Engagierte Wissenschaft” und besteht seit April 2005.

Mitmachen? Unterstützen!

  • Wir treffen uns wöchentlich, um aktuelle Texte und Themen zu debattieren. Die aktuellen Termine teilen wir euch gerne mit: forum [at] engagiertewissenschaft de
  • Wir sind am inhaltlichen Austausch mit Interessierten und Studierenden, die sich in Seminar- oder Abschlussarbeiten mit verwandten Themen beschäftigen, interessiert und können Literatur aus unserer kleinen Bibliothek leihweise zur Verfügung stellen.
  • Veranstaltungsideen? Projektvorschläge? Wir freuen uns über Kooperationsangebote und sind offen für Anregungen!

Hintergrund und Programmatische Ausrichtung

Rechts. Außen?

Rechtsextremismus ist in vielen Regionen Deutschlands fester und alltäglicher Bestandteil der politischen und sozialen Kultur. Nicht nur, aber eben besonders sichtbar in Ostdeutschland.

Rechtsextremismus?

Auch und gerade für Sachsen steht fest, dass sich neue Themen und Aktionsformen im rechten Spektrum etabliert haben: Rechte organisieren Kinderbetreuung und Frühlingsfeste in sozial benachteiligten Stadtteilen und betreiben “bürgernahe” Kommunalpolitik. Ein rechtsradikales Festival nennt sich “Fest der Völker”. Nazis erklären ihre Solidarität mit Arbeitslosen und GlobalisierungsgegnerInnen und greifen zu ‘linken’ Symbolen und ‘linker’ Ästhetik. Mit Hilfe solcher und ähnlicher Elemente werden bereits viele soziale Räume rechts dominiert.

Der Erfolg der NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat diese sächsische Problematik nicht nur sichtbarer gemacht, er hat sie auch verschärft. Die parlamentarische Verankerung der NPD hat die Optionen für rechte Akteure erweitert, diverse gesellschaftliche Bereiche in Sachsen und darüber hinaus zu beeinflussen und zu verändern. Gleichzeitig gilt Sachsen für die NPD als erfolgreiches Modell und als “Brückenkopf” in die gesamte Bundesrepublik, was sich nicht zuletzt bei der für die NPD erfolgreichen Landtagswahl in Mecklenburg- Vorpommern zeigte.

Jenseits und selbst innerhalb der NPD ist auf organisatorischer wie ideologischer Ebene die Existenz einer einheitlichen, rechtsradikalen Bewegung durchaus in Frage zu stellen. Die regelmäßig mit dieser Diagnose verknüpfte Einschätzung, damit sei auch die “Gefahr von Rechts unter Kontrolle” teilen wir jedoch nicht. Initiativen, Organisationen und SozialforscherInnen weisen seit Jahren darauf hin, wie stark rassistische und antisemitische Einstellungen in vielen Regionen bereits verankert sind, wie groß das stabile Wählerpotential für rechte Parteien und Politik ist und wie sehr rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft zu Hause sind.

Dass diese latente Größe selten geschlossen auftritt, mag ein Glück für jene sein, denen vor allem das Image eines weltoffenen Deutschlands am Herzen liegt. Für Menschen, die in ihrem täglichen Leben damit konfrontiert sind, dürfte die Frage der Geschlossenheit eher zweitrangig sein.

Trotz solcher Einschränkungen scheint die Existenz des Phänomens Rechtsextremismus mittlerweile ein minimaler Konsens zu sein - der jedoch bei der Bewertung und Analyse sowie bei der Wahl der Handlungsstrategien gleich wieder endet. Ein zentraler Streitpunkt bei der politischen Bewertung zielt auf die Frage des „Extremismus“ und seiner Verbindungen zur Gesellschaft. An diesem Punkt setzt die Arbeit des FORUMS an.

„Extremismus der Mitte“?

Betrachtet man die jüngsten Erfolge der NPD auf kommunaler und Landesebene jenseits der weit verbreiteten Lesart von Protestwählerschaft und sich selbst erledigendem Rechtspopulismus, drängt sich eine weit weniger beruhigende Diagnose auf: „Wahrscheinlicher ist, dass die Mitte sich auf die NPD zu bewegt“ (Die Zeit, 39/2006).

Das wird in aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten wahrnehmbar: Da sind zum Beispiel der im Umfeld der Fußball-WM diskutierte „gute, neue“ Patriotismus und Kampagnen wie „Du bist Deutschland“; das Thema Migration wird in Verbindung mit Begriffen wie Parallelgesellschaften, Einbürgerungstests, Religion und Terrorismus diskutiert; man macht sich Sorgen um das Aussterben des „deutschen Volkes“. Sichtbar wird bei all diesen Themen eine Popularität von Argumenten und Diskurselementen im gesellschaftlichen Mainstream, die in der Regel eher der so genannten (extremen) Rechten zugeordnet wurden. Das wirft aus unserer Sicht eine Reihe von Fragen auf:

  • Ist dies ein neues Phänomen – oder sind solche Elemente historisch betrachtet schon immer Teil gesellschaftlicher Diskussionen?
  • Muss sich die Analyse und Kritik „rechter“ Denkfiguren von den Rändern ins Zentrum der Gesellschaft verschieben? Kann man deshalb sogar von einem „Extremismus der Mitte“ sprechen?
  • Führen Zuschreibungen und Ordnungen wie „Rechts“, „Links“ und „Mitte“ nicht zu einer irreführenden Verengung der Perspektive, indem unterstellt wird, es existiere eine demokratische „Mitte“ frei von problematischen Tendenzen? Die erwähnten Debatten und Muster, die auf eine Ethnisierung der Politik und das vermehrte Auftreten völkischen Denkens hinweisen, sind aus unserer Sicht weder einmalige noch neuartige Phänomene gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.

Debatte!

Wir glauben, dass solche Themensetzungen und Argumentationsweisen erstens Verbindungen zwischen Mitte und Extremen verdeutlichen. Zweitens haben diese Verbindungen eine Geschichte, die es zu beleuchten gilt. Und drittens kann, betrachtet man die „Extreme“ im Diskurs, ihr Entstehungs- und Wirkungszusammenhang nur in der Gesellschaft erklärt werden. Das hängt auch mit Vermischungsund Auflösungstendenzen politischer Positionen und Lager zusammen. Mit Begriffen wie „rechts“ und “links“ lässt sich dadurch schwieriger operieren; dies bietet aber auch die Möglichkeit, den angesprochenen Diskursen nicht von vornherein am „rechten Rand“ zu verorten und damit eine inhaltliche Auseinandersetzung als unnötig zu verweigern, sondern genauer hinzuschauen.

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