,,Unterschichten", ,,Klassen", ,,Prekariat"? Zur Analyse und Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse und ihrer Kategorien Aktuelle Debatten über ,, Unt e r s c h ic ht e n " u nd ,,Prekariat" weisen auf gesellschaftliche, soziale, politische und mediale Phänomene hin, die es zu beleuchten gilt. Wie wird Gesellschaft heute beschrieben und bewertet? Wie werden welche gesellschaftlichen Gruppen erfasst und welche Gründe gibt es für diese Ab- und Ausgrenzung? Unterschichten sind: Disziplinlos, ernähren sich falsch, hängen rum, sind arbeitsscheu, dumm, fettleibig, fernsehsüchtig, antriebslos, bewegungsfeindlich usw. Kurzum: Unterschichten sind asozial. Anhand des Begriffs ,,Unterschichten" werden im Laufe der Vortragsreihe wissenschaftliche und öffentliche/mediale Diskurse dargestellt. Es wird auf die dortige Bedeutungen der ,,Unterschichten" eingegangen: Auf ihre impliziten Einund Ausschlussmechanismen, auf Zuschreibungen und vorgeschlagenen ,,Auswege" aus dem Dilemma, auf den Umgang mit den so definierten Gruppen und Gemeinschaften. Außerdem wird eine präzisiere Begriffsbestimmung von ,,Prekariat" und ,,Unterschicht" angestrebt, sowie die Aktualität eines kritischen Klassenbegriffs diskutiert. Die im Unterschichtenbegriff enthaltenen Verbindungslinien zu Fragen von ,,Gender" und ,,Race" im Unterschichtenbegriff sollen ebenso besprochen werden. Nicht zuletzt wird die Erfassung des Phänomens ,,Armut" durch diese Bezeichnung beleuchtet. In vier Abendveranstaltungen zwischen April und Juni 2007 wollen wir diese Fragestellungen zur Debatte stellen. Dabei richten sich Vorträge und die ausdrücklich erwünschten und erhofften Diskussionen an alle Interessierten: Studierende und DozentInnen, eine kritische Stadtöffentlichkeit. Engagierte Wissenschaft möchte Fragen, Erfahrungen und Wissen in einen Austauschprozess bringen. Engagierte Wissenschaft e.V. (EnWi) Wir sind NachwuchswissenschaftlerInnen und Studierende um die Uni Leipzig herum, die in verschiedenen Disziplinen verortet werden (dabei die Disziplinierung unbefriedigend finden), und gemeinsam: Lesen, diskutieren, schreiben und Veranstaltungen organisieren, Tätigkeiten also, die gemeinsam und jenseits des alltäglichen Uni-Betriebs mehr Sinn und Spaß machen; nicht zuletzt, um das Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft in die Öffentlichkeit zu tragen. Zur Zeit gibt es drei Arbeitszusammenhänge: 1.) Die Diskurswerkstatt: Die ,,Basis" von EnWi seit 2002: Ein Lese- und Diskussionskreis, der interdisziplinär die Diskussion von Texten und eigener Forschungen, die Erarbeitung von Werkzeugen zur Analyse sozialer Phänomene sowie deren Anwendung auf aktuelle Konfliktkonstellationen ermöglichen will. Treffpunkt: jeden Dienstag (im Semester) 19 Uhr. 2.) Das Forum für Kritische Rechtsextremismusforschung: Gegründet im Mai 2005, als Reaktion auf die programmatische Aufrüstung und Entwicklung der NPD in Sachsen, beschäftigen wir uns heute mit den Entwicklungen von gesellschaftlichen Themen im Kontext von (Alltags-)Rassismus, Nationalismus, der Ethnisierung des Sozialen usw. Organisiert haben wir zwei Vortragsreihen, mehrere Fachtagungen und freuen uns auf das Erscheinen unseres ersten Buchprojektes. 3.) Die AG SchwerPrekär: Wir haben uns im Winter 2006/07 zusammengefunden, um diese Vortragsreihe inhaltlich und organisatorisch vorzubereiten und durchzuführen. Wir freuen uns immer über neue Interessierte! Unsere Idee: Im Sinne politischer Bildungsarbeit ,,Engagierte Wissenschaft" fördern und fordern! Infos: www.engagiertewissenschaft.de Mail: enwi@engagiertewissenschaft.de .: EnWi Leipzig ,,Engagierte Wissenschaft" e.V. Herbert-Wehner-Bildungswerk e.V. ,,Unterschichten", ,,Klassen", ,,Prekariat"? Zur Analyse und Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse und ihrer Kategorien Das Herbert-Wehner-Bildungswerk ist ein parteiunabhängiger sozialdemokratischer Verein, der in Sachsen politische Bildungsarbeit betreibt. Seine Veranstaltungen sollen die BürgerInnen zur demokratischen und parlamentarischen Mitwirkung ermutigen und befähigen. Kontakt: Herbert-Wehner-Bildungswerk, Kamenzer Straße 12, 01099 Dresden Telefon (0351) 80 40 220, Fax (0351) 80 40 220 Web: www.wehnerwerk.de Vortragsreihe der Engagierten Wissenschaft (EnWi) e.V. in Kooperation mit dem Herbert-Wehner-Bildungswerk | Sommersemester 2007 Von der Ausbeutung zur Ausgrenzung Kontinuitäten und Wandel der Regierung der ,,Unterschichten" ReferentIn: Dr. Hermann Kocyba, Frankfurt/Main Wann: Mittwoch, 25.04.2007, 18 Uhr Wo: Moritzbastei, Universitätsstr., Leipzig, Ratstonne Opfer der scheinbar unausweichlich voranschreitenden Globalisierung wirtschaftlicher Prozesse sind heute weltweit nicht nur diejenigen, die eine extrem niedrige Bezahlung, keine Beschäftigungssicherheit, hohe gesundheitliche Risiken und kaum soziale Absicherung in Kauf nehmen müssen, um überhaupt arbeiten zu ,,dürfen". Für einen wachsenden Teil der auf Erwerbsarbeit angewiesenen Menschen wird es heute schwieriger, Interessenten für die ,,Ausbeutung" ihrer Arbeitskraft zu finden. Wer zermürbt die Suche nach solchen ,,Interessenten" aufgibt, findet sich nicht selten als Vertreter jener ,, Unt e r s c h ic ht e n " ge b ra ndma r k t , d ie a u fg r u nd charakterlicher Defekte und fehlender Arbeitsmoral an ihrer Lage selbst Schuld tragen. Die Begriffe von ,,Ausbeutung" und ,,Ausgrenzung" sind nicht nur zeitdiagnostischen und gesellschaftsanalytischen gehaltvoll: Sie stellen solche Begriffe dar, in denen sich die gesellschaftliche Bewertung extremer sozialer Ungleichheit und deren Wandel reflektieren. Mit diesen Begriffen verknüpfen sich sowohl Fragen der Handlungsperspektiven der dadurch kategorisierten Gruppen als auch spezifische politische Gestaltungsvorstellungen. In welchen Zusammenhängen emergierte der Begriff? Welche Sinnaufladung hat er erhalten? Und wo taucht er in gesellschaftlichen Bereichen und im politischen Spektrum mit welcher Bedeutung auf? Zentraler Bestandteil ökonomischer Erneuerung seit den 1970er Jahren ist die Polarisierung und Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen. Die damit verbundenen Probleme werden aber als die, einer kleinen, vielleicht wachsenden Unterschicht diskutiert, die zugleich als passiv, apathisch und resigniert geschildert wird. Die aufgeregte Debatte wirkt so zugleich als Entdramatisierung der sich zuspitzenden sozialen Frage. Tatsächlich erleben wir jedoch die Verbreitung einer allgemeinen gesellschaftlichen Kultur der Unsicherheit. Das ,,Prekariat" wird damit zur universellen gesellschaftlichen Figur der neuen Produktions- und Lebensweise. Zugleich entwickelt es als Klassenfraktion im Werden widerständige Praxen, vielfältig verwoben mit heterogenen Positionierung entlang geschlechtlicher, nationaler oder ethnischer Zuschreibungen. B e s t a ndt e i l e i ne s ge s a m t - ge s e l l s c h a f t l ic he n Viktimisierungsdiskurses analysiert, der Weiße insbesondere Weiße Männer der Mittelschicht - als Opfer des Turbokapitalismus, des Feminismus und der multikulturellen Gesellschaft zeichnet. ,,Unterschichten" vs. ,,Klassen"? Zur Aktualität eines kritischen Klassenbegriffs ReferentIn: Prof. Dr. Alex Demirovic, Frankfurt/Main Wann: Mittwoch, 27.06.2007, 19 Uhr Wo: Moritzbastei, Universitätsstr., Leipzig, Ratstonne Prekäre und Prekariat, Arme, Unterschicht, Menge oder Multitude sind Versuche, soziale Gruppen zu kennzeichnen, die von massiven Umverteilungen und Verschlechterungen ihrer Lebenslage betroffen sind, die aber auch in der einen oder anderen Weise als neue Akteure vorgestellt werden. Gleichzeitig wird von Vertretern einiger Parteien die Ansicht vertreten, Armut gebe es in Deutschland nicht, Unterschicht sei ein überholter soziologischer Begriff - ohnehin müsse eine wettbewerbsfähige Gesellschaft mit sozialer Ungleichheit leben, die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse - wie im Grundgesetz vorgesehen - eine Illusion. Angesichts dieser Gemengelage erscheint es richtig, die Schwächen und Stärken des vernachlässigten und tabuisierten Begriffs der sozialen Klassen nicht nur in Erinnerung zu rufen, das Unabgegoltene zu diskutieren, sondern auch auf seine analytische und politische Nützlichkeit herauszuarbeiten. White trash ­ das rassifizierte ,,Prekariat" im postkolonialen Deutschland ReferentIn: Dr. Eske Wollrad, Oldenburg Wann: Mittwoch, 13.06.2007, 19 Uhr Wo: Moritzbastei, Universitätsstr., Leipzig, Ratstonne Auf der Grundlage postkolonialer feministischer Theoriebildung zeigt Eske Wollrad in einem ersten Schritt auf, wie gegenwärtige Diskurse zur ,,neuen Unterschicht" und dem ,,Prekariat" Technologien von Rassifizierung und Vergeschlechtlichung artikulieren, die Echos kolonialer Wissensproduktion enthalten. In einem zweiten Schritt werden Szenarien, die die ,,Prekarisierung der gesellschaftlichen Mitte" beschwören, als Auf der Suche nach dem ,,Prekariat"... ,,Prekarisierung" ­ Neue Begrifflichkeit für eine veränderte soziale Wirklichkeit? ReferentIn: Dr. Mario Candeias, Jena Wann: Mittwoch, 23.05.2007, 19 Uhr Wo: Moritzbastei, Universitätsstr., Leipzig, Ratstonne Die AG SchwerPrekär wünscht nicht (nur) prekäre Diskussionen und eine anregende Vortragsreihe!