Leipzig, den 1.2.2007 Ideen für eine Sinnsuche ­ oder ein Begründungszusammenhang für den Start eines neuen U-Bootes in der Matrix (Gedanken zur Vereinsgründung von ,,Engagierte Wissenschaft" e.V.) Von Stefan Kausch 1. Warum gerade (so) ein Verein? Warum so ein Verein, in diesen Herrschaftszeiten? Warum einen Verein gründen, unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen (die ich jetzt nicht beginne zu analysieren ­ alle könne wieder aufatmen!) Warum ein Verein, dagegen sprechen viele Gründe: Die bekannte Kritik an Institutionen, an festen, hierarchischen, vielleicht sogar elitären Strukturen. Und so weiter. Doch Halt: Vielleicht sollte genau deshalb und in diesen Verhältnissen so eine Gründung erfolgen, weil diese Verhältnisse die für emanzipative Theorie der Praxis, für Kritik und Infragestellung wenig bis keinen Platz lassen. Diese Frage des Sinns dieser Gründung bleibt für mich trotzdem weiter bestehen und im Raum vorhanden. Beantworten möchte ich sie - Verweisend auf die letzte Sitzung der Diskurswerkstatt und meine dort vorgebrachten Argumente (v. 31.1.07). Und eine Zeit in Erinnerung rufen, die prägend war für einige Leute hier in diesem Raum, so auch für mich: die Streikzeit im Winter 2003/04. Was haben wir damals versucht und ausprobiert? Worum ging es auch in diesen Streiktagen und ­Wochen? Drei Punkte möchte ich nennen: a) Es ging u. a. darum, die Räume befragen, in denen ,,wir" uns bewegen, sie besetzen und ihre Grenzen dehnen. Die Räume der Universität waren das, Seminarräume, Gänge und Treppen, Flächen und Wände. b) Die Durchlässigkeit wollten wir erhöhen - zwischen den Räumen (von Wissen(schaft), Stadt, Gesellschaft, dies fordern und fördern. c) Und Kritik wollten wir üben, ja - aber auch und vor allem engagierte Kritik in und für die Verhältnisse. Und nicht zuletzt natürlich für die Möglichkeiten anderer, ja alternativer Verhältnisse. 2. Für eine Engagierte Wissenschaft ­ Anfänge, Anschlüsse, Perspektiven Das könnte Engagierte Wissenschaft sein ­ und noch vieles mehr, denn die Attribute vor Wissenschaft werden immer noch gerne mit ,,Objektivität", ,, Fortschritt" usw. versehen, die meiner Meinung nach nur in Sackgassen führen. Engagierte Wissenschaft ist sich eines Standpunktes und normativer Aussagen nicht zu schade, auch wenn Kritik und Infragestellung sicherlich im Vordergrund dieser Idee stehen. Pierre Bourdieu, der bekannte und leider schon verstorbene Französische Wissenschaftler und Intellektuelle, hat diesen Namen in den Raum von Wissenschaft und Gesellschaft eingeführt. Wir h aben dama ls auf der ersten Veranstaltung, die sozusagen zur Gründung der Initiative ,,EnWi" führte (- das ist immerhin knapp Fünf Jahren her -) diese Möglichkeit aufgenommen und versucht, sie weiterzuführen, nicht zuletzt sie für uns und unsere Fragen und Antworten zu verändern. Denn Heldenverehrung brauchen wir nicht, weder für lebende, noch tote kritische Intellektuelle. Sie sind die bekannten WerkzeuglieferantInnen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. 3. Ein Verein als Werkzeugkiste und Möglichkeitsproduzent Der Verein ist also auch ein Werkzeug für unsere Projekte, Ideen, Tätigkeiten und dass, was wir uns heute vorstellen können (und noch nicht vorstellbar ist). Er ist dieses U-Boot in den Gewässern von Machtverhältnissen und Regierungsversuchen, in Untiefen von Kapitalismen und Verwertungslogiken. Aber es ist keine Schande, sich dieses Werkzeuges zu bedienen, z. B. aus ökonomischen Zwängen. Denn prekär ist die Lage von vielen, so auch von einigen von uns. Und auch gegen diese Prekarisierung kann dieser Verein eine Möglichkeit sein. Auch wenn wir eine gute Aussicht nicht scheuen, soll er kein Baum sein, im Sinne einer klaren Erkenntnis von unten nach oben, die linear und gleichförmig verläuft. Wurzeln und klare Herkünfte sind nicht der Anfang und nicht das Ziel. Er soll im Deleuzschen Sinne eine Wiese sein (er nennt es Rhizom), wo wir uns mit unseren Subjektivitäten hinsetzen und ­legen können, aus dem neuen, vielfältige, hybride, heterogene Ideen sprießen, die auch vorm menscheln und Freundschaften keinen halt machen. 4. Zu Abschluss Enden möchte ich mit einer Paraphrasierung eines Tocotronic-Text-Zitats: Hier einen Verein gründen, aber ja doch! Aber hier leben, nein Danke! Vielen Dank.