Salon Surveillance 2010

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Salon Surveillance 2010Der Salon Surveillance ist eine Veranstaltungsreihe, in der wir mit fachkundigen Gästen und dem Publikum einzelne Aspekte der heraufziehenden Überwachungsgesellschaft vertiefen und diskutieren wollen. In diesem Jahr setzt der Salon die kritische Auseinandersetzung rund um Themen von Überwachung und Kontrolle mit vier Veranstaltungen forts. Die Veranstaltungsreihe wird durchgeführt in Kooperation mit Weiterdenken – Heinrich Böll Stiftung Sachsen und Engagierte Wissenschaft e.V. / AG Kids Control.

Es werden neue Technologien vorgestellt, und auf ihr Verhältnis zur “Regierung” der Bevölkerung befragt. Dabei interessiert uns vor allem auf eine Analyse der in ihnen verborgenen gesellschaftlichen Interessen. Welche normativen Vorstellungen von Menschen und Gesellschaft verstecken sich dahinter? Ziel ist die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins. Die Frage nach politischen Gegenstrategien steht dabei stets im Raum.

Aktuelle Veranstaltung

Salon Surveillance: Bilder der Überwachungskritik

Ein interaktiver Salon mit Bildern

Mittwoch, 07. September 2011, 19 Uhr, Ort: GfZK (Karl-Tauchnitz-Str. 9-11, Leipzig)
Mit Anja Lê, MA, Kunsthistorikerin und Peter Ullrich, Dr. phil., Kulturwissenschaftler/Soziologe an der Universität Leipzig

Die Bildwelten und Symbole überwachungskritischer Bewegungen sagen viel über deren Weltsichten und zeigen zugleich Bruchlinien und Konflikte innerhalb des Protestspektrums an. Der zweite Salon dieses Jahres analysiert solche gängigen sprachlichen und vor allem visuellen Bilder aktueller Proteste (Big Brother, Panopticon, Wolfgang Schäuble & sein Fingerabdruck, Der Überwachungsstaat, Stasi 2.0 usw.), um die oft nur impliziten Annahmen über Gesellschaft und Staat, Täter und Opfer sowie die Möglichkeiten politischer Einflussnahme und die Perspektiven sozialer Veränderung zu verdeutlichen.Im Vortrag werden Bilder (Webseiten Sticker, Plakate, Slogans) gemeinsam mit dem Publikum interpretiert, um Muster und Sichtweisen herauszuarbeiten.

Mit Buchvorstellung des Buches “Kontrollverluste – Interventionen gegen Überwachung” (hrsg. von der Leipziger Kamera - Initiative gegen Überwachung, Münster 2009).


Vergangene Veranstaltungen

10 Jahre 9/11 - Menschenrechte in Zeiten des Terrors

Mit Dr. Rolf Gössner 
(Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte)
Donnerstag, 26. Mai 2011, 19 Uhr, HALLE 14

Nach den Terroranschlägen in den USA vom 11.9.2001 übertrafen sich Parteien und Sicherheitspolitiker_innen gegenseitig mit Gesetzesvorschlägen, die der Sicherheit der Bürger_innen dienen sollen, aber mit Sicherheit ihre Freiheitsrechte einschränken. 2002 sind die “Antiterror”-Pakete in Kraft getreten. Mit diesen Gesetzesverschärfungen wurden u.a. Polizei- und Geheimdienst-Befugnisse ausgeweitet, Sicherheitsüberprüfungen von Arbeitnehmer_innen auf “lebens- und verteidigungswichtige Betriebe” ausgedehnt, “biometrische Daten” in Ausweispapieren erfasst, Migrant_innen unter Generalverdacht gestellt und einer noch intensiveren Überwachung unterzogen. Verdachtslose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten und heimliche Online-Durchsuchungen von Computern kamen hinzu.

Rolf Gössner wird nach zehn Jahren staatlichem Antiterrorkampf Bilanz darüber ziehen, was sich seit 9/11 im Namen der Sicherheit verändert hat und erläutert diesen Prozess der Entgrenzung staatlicher Macht, der Militarisierung der „Inneren Sicherheit“, der Zentralisierung und Vernetzung aller Sicherheitsbehörden - und er zeigt die fatalen Konsequenzen dieser Entwicklung auf: für alle, für politisch Aktive, für Beschäftigte und besonders für Migrant_innen.

Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Publizist und parlamentarischer Berater. Vizepräsident der „Internationalen Liga für Menschenrechte“, Mitherausgeber des „Grundrechte-Reports“, Mitglied der Jury zur Verleihung des Negativpreises „BigBrotherAward“ sowie Autor zahlreicher Bücher zu „Innerer Sicherheit“ und Bürgerrechten, zuletzt: „MENSCHENRECHTE IN ZEITEN DES TERRORS. Kollateralschäden an der ‚Heimatfront’“, Hamburg 2007. www.rolf-goessner.de


Kämpfe kontra Kontrolle – Geschichte und Perspektiven westdeutscher Überwachungskritik

Donnerstag, 02. Dezember 2010, 19 Uhr, Moritzbastei, Leipzig
mit Dominik Rigoll

Die ersten Protestgruppen, die in Westdeutschland für Datenschutz und gegen Überwachung auf die Straße gingen, waren ehemalige Bedienstete des „Dritten Reiches“. Sie hatten 1945 ihren Job verloren und setzten sich jetzt dafür ein, dass „Kenntnisse“ der Alliierten oder aus Spruchkammmerverfahren nach 1949 keine Rolle mehr spielen durften. Ihr Mobilisierungserfolg war überwältigend. Nicht zuletzt dank der fast überall mitregierenden FDP. In den 50er bis 70er Jahren dann trugen die „Entnazifizierungsopfer“ bzw. der von ihnen freiheitlich-demokratisch geschulte Nachwuchs maßgeblich dazu bei, dass linke und linksliberale Proteste – gegen Telefonüberwachung etwa oder die sog. Regelanfrage beim Inlandsgeheimdienst – ungleich wirkungsloser blieben. Häufig wurde die Kritik sogar als „unrechtsstaatlich“ diffamiert, mitunter auch als „verfassungsfeindlich“. Erst als es in den 80er Jahren erneut um die Verteilung von Fragebögen ging, gelang den Protestierenden vor dem Bundesverfassungsgericht ein im Rückblick gar nicht so überraschender Achtungserfolg. Vor diesem Hintergrund soll beleuchtet werden, inwiefern sich die Ausgangsbedingungen für erfolgreichen Protest heute verändert haben.

Dominik Rigoll ist Zeithistoriker am Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts und am Centre Marc Bloch in Berlin. Er arbeitet momentan zum internationalen Vergleich von Politiken der ‚Inneren Sicherheit’ und zur Vernetzung linker Protestgruppen.


Das Volk zählen. Analyse und Kritik des EU-Zensus 2011

Donnerstag, 11. November 2010 um 19.30 Uhr, Moritzbastei, Leipzig
mit Dr. Daniel Schmidt, Universität Leipzig

Im Jahr 2011 wird in der Europäischen Union eine Volkszählung (Zensus) durchgeführt. In Deutschland kommt dabei zum ersten Mal das so genannte «registergestützte Verfahren» kombiniert mit Stichprobenerhebungen zum Einsatz. Damit werden verschiedene Fragen aufgeworfen: Welche Besonderheiten und Schwierigkeiten der Datenerhebung weist dieses Verfahren auf? Welche Kategorien werden erhoben? Und grundsätzlich betrachtet: Warum werden «wir», die «Bevölkerung», überhaupt gezählt? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Bevölkerungspolitik? Welche «Idee» des Staates steckt hinter diesem Zählen? Und welche Rationalitäten von Macht, Regierung und Kontrolle werden damit sichtbar?
Daniel Schmidt wird zentrale Ziele und die Ausgestaltung des EU -Zensus vorstellen und dabei das Augenmerk auf Deutschland legen. Er wird Thesen zu den Problemen von vermeintlich objektiven Kategorien vorstellen und auf die Datenschutzprobleme hinweisen. Darüber hinaus werden zivilgesellschaftliche Akteure und deren politischen Protest gegen den Zensus in den Blick geraten. Davon ausgehend werden kritische Überlegungen den Zensus in den Kontext von «Biopolitik», also der Regierung der Bevölkerung, stellen.

Daniel Schmidt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte der Universität Leipzig. Er forscht zu Fragen der politischen Anthropologie, der modernen Staatlichkeit und Macht-Wissen-Beziehungen. 2005 erschien seine Arbeit «Statistik und Staatlichkeit». Er leitet ein Teilprojekt im BMBF-Forschungsverbund «Die vergangene Zukunft Europas», der den Umgang mit Bevölkerungsfragen im 20. Jahrhundert untersucht.


Verstrickt im Netz. Informationelle Selbstbestimmung im Social Web

22. Oktober 2010 um 19 Uhr, Moritzbastei, Universitätsstr. 9, Leipzig
Gesprächsrunde mit Dr. Jan-Hinrik Schmidt, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung, Hamburg

Salon 03/2010: Verstrickt im Netz

Das Internet ist in den vergangenen Jahren zum “Social Web” geworden. Angebote wie Facebook, MySpace, YouTube oder Twitter haben die Hürden gesenkt, dass Menschen Informationen von persönlicher Relevanz mit einem Publikum aus Freunden, Bekannten, Kollegen o.ä. teilen können. Weil die “Architektur” dieser onlinebasierten Kommunikationsräume einige Besonderheiten aufweist - dort veröffentlichte Daten sind bspw. dauerhaft, kopierbar und verkettbar - verschwimmen hergebrachte Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Vortrag und Diskussion werden sich dieser Entwicklung widmen und insbesondere thematisieren, inwiefern unter diesen Bedingungen informationelle Selbstbestimmung gewährleistet und gesichert werden kann.

Dr. Jan-Hinrik Schmidt ist wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der computervermittelten Kommunikation, insbesondere bei neueren Entwicklungen des “Web 2.0” und der digitalen Spiele. Aktuell beschäftigt er sich im Rahmen des DFG Projektes “Young Scholars Network on Privacy and Web 2.0” mit der Verschiebung der Grenzen von Privatspähre und Öffentlichkeit durch das Internet.


Vorsicht, Vorbeugen! Kinder im Fokus der Kriminalprävention

Donnerstag, 23. September 2010 um 19 Uhr
Geprächsrunde mit Verena Schreiber, Goethe-Universität Frankfurt (M.) in der Moritzbastei, Universitätsstraße 9, Leipzig

Dass sich Präventionsphantasien besonders häufig um Kinder drehen, ist nichts Neues. Durch ihre Mystifizierung als unschuldige und hilflose und damit gleichzeitig auch immer gefährdete und gefährliche Wesen provoziert Kindheit – wie keine andere Lebensphase – präventive Interventionen.

In jüngerer Zeit verändert sich jedoch die Vorbeugung am Kind, und zwar gleich auf mehreren Ebenen: So wird Kinder- und Jugendarbeit immer häufiger unter dem Namen Kriminalprävention geführt, was dazu führt, dass die Wahrnehmung besonders auf die Schwächen und vermeintliche Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen gelenkt und die Kriminalisierung ihres Verhaltens begünstigt wird. Prävention greift außerdem zunehmend über ein kommunales Netz auf Kinder und Jugendliche zu, weswegen ihre Freizeit zunehmend unter kriminalitätshemmenden und entwicklungsfördernden Aspekten umgebaut wird. Und da Prävention das Kind als „unternehmerisches Selbst“ versteht, welches sich selbst zu regulieren hat, wird Kindern die Verantwortung für ihre Sicherheit aufgelegt.

Verena Schreiber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Humangeographie der Goethe-Universität Frankfurt (M.), zeigt die Beziehung von neuen Kontrollformen und neoliberalen Transformationsprozessen auf und nimmt die aktuelle Kriminalpolitik zum Ausgangspunkt für die Diskussion der Wirkungen von kriminalpräventiven Interventionen auf die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen sowie ihre gesellschaftliche Wahrnehmung.


Das Ende des Versammlungsrechts?

Dienstag, 18. Mai 2010 um 19 Uhr

Gesprächsrunde mit Jens Lehmann (Rechtsanwalt, Dresden) in der Moritzbastei, Universitätsstraße 9, 04109 Leipzig


REIHE SALONSURVEILLANCE

Informationen: [http://www.engagiertewissenschaft.de/salonsurveillance www.engagiertewissenschaft.de/salonsurveillance]
Kontakt: salon@freenet.de

 


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